Matthias Schindler, Simone Bergheim (2015)
Mit über 50 ha ist das Naturschutzgebiet „Ehemaliges Munitionsdepot im Friesheimer Busch“ eines der bedeutendsten Naturschutzgebiete im Rhein-Erft-Kreis. Vor allem die Offenlandflächen sind kreisweit einzigartig und zählen selbst in der südlichen Niederrheinischen Bucht zu den bedeutendsten Magerrasen- und Heidestandorten. Bereits im Jahr 2003 hat die Naturschutz- und Landschaftspflegestation (LPS) des NABU Rhein-Erft die naturschutzorientierte Pflege auf rund 35 ha des ehemaligen Munitionsdepots übernommen. Die Schafe und Ziegen der LPS sind dabei unverzichtbare Helfer, um dieses Gebiet von der Verbuschung freizuhalten. Der NABU Rhein-Erft wird von der Biologischen Station Bonn Rhein-Erft bei verschiedenen landschaftspflegerischen Arbeiten und beim Monitoring gefährdeter Tier- und Pflanzenarten unterstützt.
Besonderes Interesse gilt seit vielen Jahren der Vogelfauna des ehemaligen Munitionsdepots. Systematische Kartierungen des Vogelbestandes durch verschiedene ehrenamtliche Ornithologen erfolgten in den Jahren 2005, 2007 und 2008. Für 2015 liegen nun aktuelle Ergebnisse einer umfangreichen Brutvogelkartierung vor, die vom NABU gemeinsam mit der Biologischen Station Bonn / Rhein-Erft im ehemaligen Munitionsdepot durchgeführt wurde. Hierbei wurden von März bis Juli entlang einer festgelegten Begehungsstrecke sämtliche Beobachtungen von Vögeln mit Revier anzeigenden Verhaltensmerkmalen (z.B. Gesang, Warnrufe, Altvögel mit Nestbaumaterial, fütternde Altvögel) möglichst genau in eine Karte (Luftbild) eingetragen (vgl. Südbeck et al. 2005). Insgesamt erfolgten 15 Begehungen. Bei der Auswertung wurde dann, aufgrund der Häufung von Beobachtungen in bestimmten Bereichen, auf die Präsenz von Revieren geschlossen und auf diese Art die Anzahl potentieller Reviere im Gebiet bestimmt.
Die Beobachtungen im Jahr 2015 im Bereich des Naturschutzgebietes und der Betriebsflächen des „Umweltzentrums Friesheimer Busch“ umfassen insgesamt 60 Vogelarten, von denen 41 als Brutvögel identifiziert wurden (s. Tabelle). Neben den Offenlandarten zählen hierzu Wald- oder Waldrandarten, da sich das Untersuchungsgebiet auch auf den angrenzenden Waldrand des „Friesheimer Busches“ erstreckte.
Unter den Brutvogelarten im ehemaligen Munitionsdepot sind vor allem die Vorkommen des Schwarzkehlchens (Saxicola rubicola) [NRW: RL 3, Niederrheinische Bucht: RL 2], Baumpiepers (Anthus trivialis) (NRW: RL 3, Niederrheinische Bucht: RL 2), Neuntöters (Lanius collurio) (NRW: RL V, Niederrheinische Bucht: RL 3) und des Feldschwirls (Locustella naevia) (NRW: RL 3, Niederrheinische Bucht: RL V) hervorzuheben. Während das Schwarzkehlchen in den letzten Jahren regelmäßig mit mehreren Brutpaaren und der Neuntöter mit ein bis zwei Brutpaaren im Untersuchungsgebiet nachgewiesen wurden, waren Feldschwirl und Baumpieper nicht in jedem Jahr im Gebiet mit Brutvorkommen vertreten. Der Baumpieper wurde in 2015 sogar mit zwei Brutpaaren erfasst. Auch die Nachweise des Gelbspötters (Hippolais icterina) (NRW: RL V, Niederrheinische Bucht: RL 3), des Bluthänflings (Carduelis cannabina) (NRW: RL V, Niederrheinische Bucht: RL 2) und der Turteltaube (Streptopelia turtur) (NRW: RL 2, Niederrheinische Bucht: RL 1) sind bemerkenswert, da ihre Bestände in Nordrhein-Westfalen stark abgenommen haben (vgl. Grüneberg et al. 2012). Gerade letztere Art wurde im Bereich des ehemaligen Munitionsdepots in den vergangenen Jahren zwar regelmäßig beobachtet, allerdings mit einer insgesamt deutlich geringeren Aktivität als im Erfassungsjahr 2015. Vom IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) wurde die Turteltaube in 2015 neu in die Liste der weltweit gefährdeten Vogelarten aufgenommen (Status VU: vulnerable). In Deutschland haben die Bestände in den letzten Jahren um 40 Prozent abgenommen.
Die Ergebnisse der aktuellen Brutvogelkartierung im Naturschutzgebiet „Ehemaliges Munitionsdepot im Friesheimer Busch“ belegen einmal mehr die große Bedeutung des Gebietes als Lebensraum für bedrohte Tierarten des Offenlandes in der Niederrheinischen Bucht. In den kommenden Jahren sollte der Kenntnisstand aufgefrischt und bei vielen Organismengruppen (z.B. Wirbellose) durch Grundlagenkartierungen ergänzt werden.
Grüneberg, C., S. R. Sudmann sowie J. Weiss, M. Jöbges, H. König, V. Laske, M. Schmitz & A. Skibbe 2012: Die Brutvögel Nordrhein-Westfalens, NWO & LANUV (Hrsg.), LWL-Museum für Naturkunde, Münster. 480 S.
Südbeck, P., H. Andretzke, S. Fsicher, K. Gedeon, T. Schikore, K. Schröder & C. Sudfeldt (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Sudmann, S. R., C. Grüneberg, A. Hegemann, F. Herhaus, J. Mölle, K. Nottmeyer-Linden, W. Schubert, W. von Dewitz, M. Jöbges & J. Weiss:
Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten Nordrhein-Westfalens 5. Fassung – gekürzte Online-Version. NWO & LANUV (Hrsg.). Erschienen im März 2009. [http://www.nw-ornithologen.de/downloads/
projects/project_2_RL_Tabelle_Homepage.pdf]