Von Dr. Matthias Schindler, Caroline Jahn (Biologische Station Bonn/Rhein-Erft) und Rolf Hedemann (NABU)
Zahlreiche wärmeliebende Insektenarten sind Profiteure der Klimaerwärmung und haben sich in den letzten Jahren in Deutschland stark ausgebreitet. Viele dieser Insekten haben ihren Verbreitungsschwerpunkt in Südeuropa und kamen in Deutschland ursprünglich nur kleinräumig in wärmebegünstigten Gebieten, in sogenannten Refugien, im süddeutschen Raum vor. Neben diesen Arten, die sich eigenständig ausgebreitet haben, gibt es inzwischen auch viele eingebrachte Arten (Neozoen), die von Natur aus nicht in Deutschland vorkommen und zum Beispiel durch den Transport von Waren oder Reisetätigkeit aus ihren Ursprungsgebieten nach Deutschland gekommen sind.
Zu den sogenannten Neozoen zählen zum Beispiel der Asiatische Marienkäfer und die Asiatische Reiswanze. Neozoen, wie die Asiatische Hornisse, werden im Naturschutz als „invasiv“ bezeichnet, weil sie mit einheimischen Arten in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen treten und diese verdrängen. Hinsichtlich der Auswirkungen invasiver Arten werden Risikobewertungen durchgeführt. In vielen Fällen ist der Einfluss der Neuankömmlinge auf Flora und Fauna nicht klar einschätzbar. Aus Gründen der Vorsorge wurde die Asiatische Hornisse vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in die Kategorie Früherkennung eingestuft und muss daher gemeldet und aus der Natur beseitigt werden. Informationen zum Umgang mit invasiven Arten sind auf einem Faltblatt der Kreisverwaltung des Rhein-Erft-Kreises zu finden (https://www.rhein-erft-kreis.de/infrastruktur/umwelt/asiatische-hornisse.php).
Zu den „Neubürgern“, die es aus eigener Kraft bis in den Rhein-Erft-Kreis geschafft haben und die regelmäßig in Gärten und in der freien Landschaft beobachtet werden können, zählen zum Beispiel die Streifenwanze, der Trauer-Rosenkäfer, die Bernsteinschabe, die Grillenart Weinhähnchen und die Blauschwarze Holzbiene. Viele dieser Arten sehen wunderschön aus und haben eine faszinierende Lebensweise.
Fundpunkte der auffälligen Streifenwanze liegen bislang aus dem Naturschutzgebiet „Ehemaliges Munitionsdepot Friesheimer Busch“, aufgelassenen Kiesgruben und zahlreichen Gärten im Siedlungsbereich vor. Streifenwanzen sind Pflanzensauger, die sich überwiegend von Doldengewächsen ernähren. Sie können oft auf den Blüten von Dill, Möhre, Pastinake und Fenchel beobachtet werden. Sowohl die Larven als auch die adulten Tiere saugen an den reifenden Samen ihrer Nahrungspflanzen. Larven ernähren sich aber zusätzlich auch von kleineren Insekten, die sie auf Pflanzen erbeuten. Die Kinderstube der Streifenwanze befindet sich ebenfalls auf Pflanzen. Weibchen heften ihre Eier nach der Paarung im Frühjahr an Blätter und Stängel. Nachdem die Larven geschlüpft sind, werden diese zunächst noch vom Muttertier bewacht. Das abschreckend wirkende rot-schwarze Streifenkleid hilft dabei, Fressfeinde abzuwehren.
Die rund 10 mm großen Trauer-Rosenkäfer (Bild B) sind recht einfach an ihrer schwarzen Färbung mit den weißen Flecken zu erkennen. In unserer Region ist die Art durch dieses Aussehen unverwechselbar. Trauer-Rosenkäfer sind eine wärmeliebende Art und ursprünglich in der Mittelmeerregion und Nordafrika beheimatet. Bis vor kurzem konnte man den Käfer nur in Süddeutschland und am Oberrheingraben antreffen. Inzwischen ist aber eine deutliche Ausbreitungstendenz nach Norden erkennbar, was dazu führt, dass die Käfer auch bei uns regelmäßig gesichtet werden. Man findet sie in den frühen Sommermonaten am ehesten auf blütenreichen Wiesen, aber auch aus Gärten ist er schon gemeldet worden. Auch aus dem Rhein-Erft-Kreis liegen verschiedene Beobachtungen vor. Die erwachsenen Tiere fressen Pollen und sind daher am besten auf Blüten zu beobachten. Die Eier werden dann einzeln am Boden abgelegt. Die Larven leben im Boden und fressen (anders als beim goldglänzenden Rosenkäfer) an Pflanzenwurzeln.
Vermehrt kam es in den Sommermonaten zu Anrufen bei Kölner oder Bonner Schädlingsbekämpfern, weil man sich Hilfe bei einem Befall mit Küchenschaben/bzw. Kakerlaken erhoffte. Bei vielen der Beobachtungen handelte es sich um die harmlose Bernstein-Waldschabe, ursprünglich eine südeuropäisch beheimatete Art, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten in Deutschland bis etwa an die Schleswig-Holsteinische Landesgrenze ausgebreitet hat. In den Sommermonaten tritt die Bernstein-Waldschabe phasenweise so häufig in den Gärten und Grünflächen in deutschen Städten auf, dass man verirrte Exemplare in einer Wohnung vorfinden kann. Im Gegensatz zur Küchenschabe, die sich von Nahrungsvorräten des Menschen ernähren kann, ist die flugfähige Bernsteinschabe eher unbeabsichtigt in menschliche Behausungen geraten. Die hellbraune Bernsteinschabe wird bis zu 14 mm groß und ernährt sich von toten Pflanzenteilen.
„Zrrüü“… ein wohlklingender Gesang erfüllt in warmen Sommernächten die Luft von Gärten und Landschaften des Rheinlands. Denn dann singt mancherorts das Männchen des Weinhähnchens seinen zirpenden Lockgesang. Diese Grillenart war ursprünglich nur in bestimmten wärmebegünstigten Regionen des Rheintals verbreitet, hat sich inzwischen aber sogar bis in die Niederlande ausgebreitet. Wir gehen davon aus, dass das Weinhähnchen im Rhein-Erft-Kreis inzwischen überall angetroffen werden kann. Das etwa 15 mm lange, hellbraune Weinhähnchen hat für eine Grille einen relativ schlanken Körperbau. Es ernährt sich von Staub- und Blütenblättern sowie von Blattläusen, kleinen Spinnen und Insektenlarven. Nicht nur wegen des gut getarnten Aussehens, sondern auch wegen einer Besonderheit im Gesang, ist das Weinhähnchen sehr schwer in der Vegetation ausfindig zu machen, denn, wenn das Männchen seine Ausrichtung ändert, scheint der Gesang aus einer anderen Ecke zu kommen.
Im NABU-Info 2022 berichteten wir von der Blauschwarzen Holzbiene, die sich wie viele andere wärmeliebende Insektenarten seit vielen Jahren in Deutschland nach Norden ausbreitet. Verschiedene Sichtungen dieser auffälligen Wildbiene haben wir zum Anlass genommen zur Meldung von Beobachtungen der Blauschwarzen Holzbiene aufzurufen. Uns hat es sehr gefreut, dass viele Bürgerinnen und Bürger am Holzbienenmonitoring teilgenommen haben. Hierdurch konnte der Kenntnisstand über die Verbreitung dieser interessanten Wildbienenart im Kreisgebiet verbessert werden.
Mehr als 25 Meldungen der Schwarzen Holzbiene im Rhein-Erft-Kreis haben uns im vergangenen Jahr erreicht. Mit Ausnahme von Elsdorf wurden Nachweise in allen Kommunen des Kreisgebietes erbracht. Besonders häufig wurde diese Art in den Gemeinden Erftstadt und Kerpen beobachtet. Viele Beobachter und Beobachterinnen teilten uns mit der Fundmeldung auch Angaben zum Blütenbesuch mit. So wurden Holzbienen an Blüten von Dahlien, Duftwicken, Glyzinie, Hibiskus, Kanadische Goldrute, Liguster, Mahonie, Marienglockenblume, Wegwarte, Wollziest und sogar an Zitronenblüten in einem Wintergarten beobachtet. Aus den Mitteilungen geht hervor, dass die Blauschwarze Holzbiene inzwischen auch in vielen Gärten einen Nistplatz gefunden hat. Nester wurden in morschen oder abgestorbenen Obstbäumen und Weiden gefunden. Es ist ermutigend, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger für den Insektenschutz im Kreisgebiet einsetzen und ihre Gärten naturnah und insektenfreundlich gestalten. Unser Ziel ist, in den nächsten Jahren durch Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsangebote das Thema Insektenschutz im Rhein-Erft-Kreis weiter voranzubringen. Hierfür wurden der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft vom Rhein-Erft-Kreis bis 2024 weitere finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt.
(2024)
Wir möchten auch 2024 das Monitoring wärmeliebender Insektenarten im Rhein-Erft-Kreis fortsetzen und würden uns freuen, wenn Sie uns Ihre Beobachtungen mitteilen. Meldungen bitte mit Angabe des Fundortes, Funddatums und – falls möglich – eines Fotos an: info.rek@biostation-bonn-rheinerft.de. Die Verbreitungsdaten werden wieder in eine Karte einfließen, die auf der Internetseite der Biologischen Station veröffentlicht wird. Vielen Dank!